Es war einer dieser Wintertage, die ich so liebte: Die Sonne zeigte sich von ihrer schönsten Seite, nämlich garnicht; die ganze Stadt lag in tiefem Nebel, die Straßenleuchte vor unserem Haus vertat ihren Dienst mehr schlecht als recht - sie flackerte ständig. Sie ist einfach unerträglich. Das war auch der Grund dafür, dass ich die Vorhänge im Wohnzimmer zuzog, mich in das Lesezimmer verzog und den Kamin zum Brennen brachte. Ich setzte mich auf das Fell vor dem Kamin und wärmte mich, während ich anfing, mir zu überlegen, wie es wäre, einfach nichtmehr da zu sein. Um der Realität noch ganz zu entschwinden, legte ich eine alte akustikrock-Schallplatte auf und genoss die Einsamkeit. Als ich so vor mich hin träumte, merkte ich erst, wie toll es eigentlich sein kann, einfach abzuschalten. Einfach alles um mich herum zu vergessen und den Raum auf mich wirken zu lassen. Die züngelnden Bewegungen des Feuers, die flauschigen Fasern des Felles, die Musik, sich einfach von den Gedanken treiben zu lassen. Ich erschrak, als der Holzscheit von seinem Gegenüber abrutschte und Funken schlug. In meiner Einsamkeit stand ich auf, suchte mir den Weg in den Keller und durchwühlte die Kisten, die ich schon Jahre nichtmehr geöffnet hatte. Neben einem alten Telefon, mehreren Glühbirnen und der ein oder anderen Rarität fand ich das alte Bilderalbum von früher. Zusammen mit einer Flasche Wein und dem Fotoalbum machte ich mich wieder auf den Weg zum Kamin, zum Fell, immer der Musik entgegen. Ich legte das Album auf meinen Sessel, holte ein Glas aus der gläsernen Vitrine, schenkte mir ein, suchte im Schrank nach Schallplatte, die mich noch mehr in Erinnerungen schwelgen ließ. Ich legte sie auf, setzte mich auf den Boden, nahm einem Schluck aus dem Glas, und ließ mich überraschen, was mich in dem Fotoalbum für Erinnerungen erwarteten. Direkt auf der ersten Seite schauten mir all meine Klassenkameraden des Gymnasiums mit glücklichen Mienen entgegen. Doch jetzt wusste ich, dass das bei den meisten nur Fassade war. Der eine war Drogenabhängig; der andere ließ sich nur auf die falschen Frauen ein, bis man ihn nackt und tot in seiner Badewanne fand; die andere war Suicidgefährdet. Als ich so über meine Klassenkameraden nachdachte, und was aus ihnen geworden ist, kam ich auch auf mich. Was ist aus mir geworden? Ich hatte alles. Ich hatte Geld, ich hatte Spaß, viele Autos, ein riesen Haus. Was heißt ich hatte? Ich habe. Nur der Spaß ist verschwunden. Nur Geld allein macht eben nicht glücklich. Und so finde ich mich fast jeden Abend auf dem Fell vor dem Kamin sitzend vor. Ist das Leben? Ist es leben, jeden Tag allein mit einem Glas Wein hier zu sitzen? Das schrille klingeln meines Telefons reißt mich aus meinen Träumen. Ich schaue um mich. Puuh, alles noch beim Alten. Ich liege hier neben meiner wundervollen Ehefrau, küsse sie auf die Wange, stehe auf, um das Telefon zu suchen, und denke mir: Ein Glück, dass ich nicht so ein alter Spießer geworden bin. Ein wenig mehr Geld zu haben wäre schon schön. „Doch wir haben uns. Wir haben uns…“ sagte sich laut und meine Frau wurde wach. Sie fragte mich, was denn los sei. Als ich ihr antwortete „Danke dass es dich gibt, danke für jeden einzelnen Tag den du mir schenkst. Danke für einfach alles. Ich bin glücklich dass es dich gibt.“ liefen mir tränen über die Wangen. Ich habe ihr nie gesagt, wie wichtig sie mir ist. Doch sie ist mir wichtiger als alles Geld, jede Akustikrock-Schallplatte, jeder Kamin mit Fell davor, einfach wichtiger als alles andere auf der Welt. Ich brauche nichts anderes um glücklich zu sein wie dich.
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